«Erwachsene Lernende haben viele Vorteile»

Herr Bürgin, wie haben Sie vom Projekt «2. Chance auf eine 1. Ausbildung» erfahren?

Der Jobcoach des Projekts, Urs Gretener, hat sich bei mir gemeldet, weil er eine Elektro-Lehrstelle für einen erwachsenen Mann suchte. Da bereits vier Lernende bei uns arbeiten, hatte ich am Anfang Bedenken, ob wir genügend Zeit für die Betreuung haben. Auch seine Sprachkenntnisse liessen mich zögern. Nach dem Schnuppertag hatte ich aber keine Wahl mehr: Das ganze Team war begeistert von ihm und hat mich überzeugt. Ich bestand aber darauf, dass er Montage-Elektriker ernt. Diese Ausbildung dauert drei Jahre und ist fachtechnisch einfacher als Elektroinstallateur. Wenn er danach noch weiter machen will, werde ich ihn dabei unterstützen.

Weshalb ist Ihnen dieser Ausbildungsweg so wichtig?

Ich bin selbst Vater von drei Kindern und weiss, was es heisst, neben dem Job beziehungsweise neben der Ausbildung eine Familie zu haben. Mein «2. Chance»-Lernender hat auch ein kleines Kind. Durch diesen Ausbildungsweg wollte ich verhindern, dass ihm plötzlich alles zu viel wird und er die Ausbildung abbrechen muss. Das bringt uns beiden nichts.

Und wie läuft es bis jetzt mit dem Lernenden?

Im Gegensatz zu unseren jugendlichen Lernenden bringt er schon einiges an Lebenserfahrung mit. Das entlastet uns, denn 50% der Betreuung besteht normalerweise darin, den Wandel vom Kind zum Erwachsensein zu begleiten. Die Jugendlichen kommen von der Schule in eine ihnen komplett fremde Arbeitswelt. Diese Erfahrung hat eine erwachsene Person bereits gemacht. Er integriert sich auch gut in unserem internationalen Team. Und ich lerne viel über eine neue Kultur. Die einzige Herausforderung war, dass wir uns daran gewöhnen mussten, die Hochdeutsche Fachsprache zu verwenden. In den Pausen redet das ganze Team aber Dialekt.

Was finden Sie besonders positiv am Projekt?

Das Projekt unterstützt die Arbeitgebenden optimal: Von der Kontaktaufnahme bis zur allfälligen Hilfestellung. Das senkt für mich die Hürde, einen ungewohnten Weg zu gehen. Auch die strenge Auswahl der Projektteilnehmenden ist super. Dadurch wissen alle Beteiligten, was auf sie zukommt.

Was muss jemand mitbringen, um bei der Beat Bürgin Elektro AG eine Lehre zu machen?

Die Person muss in erster Linie teamfähig und interessiert sein sowie Offenheit für ein internationales Team mitbringen. Darüber hinaus sollte der Wille da sein, besser sein zu wollen als der Durchschnitt. Denn davon gibt es schon genug auf der Welt. Ich möchte, dass meine Leute fähig sind, über den Tellerrand hinauszuschauen. Deshalb machen wir auch jedes Jahr einen Teamausflug, an einen interessanten Ort und führen beim Weihnachtsessen ein Quiz zu allgemeinen Themen dieser Welt durch. Damit will ich meine Leute kitzeln, ihr Potenzial zu entdecken und ihre Interessen zu erweitern. Genauso ist es meine Aufgabe, mich für meine 17 Mitarbeitenden über die Arbeit hinaus zu interessieren. Ich möchte sie wirklich verstehen und mich vollumfänglich für sie einsetzen können.

Was raten Sie Arbeitgebenden, die sich für erwachsene Lernende interessieren?

Wie bereits erwähnt, hat es viele Vorteile, wenn erwachsene Lernende in den Betrieb kommen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, sollten Arbeitgebende die Offenheit haben, einen ungewöhnlichen Weg zu gehen. Bei Personen aus einem anderen Kulturkreis, empfehle ich, die entsprechende Kultur im Vorfeld kennenzulernen und zu verstehen. Dazu gehören auch Spielregeln, die beiden Seiten Klarheit geben. Grundsätzlich kann ich erwachsene Lernende aber nur weiterempfehlen.