Ich habe geweint vor Freude

Ich hätte nie gedacht, dass ich im dritten Lehrjahr an meine Grenzen stossen würde. Auf der Arbeit hatte ich plötzlich viel mehr Verantwortung als vorher. Alles musste perfekt sein. Der Druck war so gross, dass ich mir nicht sicher war, ob ich meine Ausbildung beenden kann. Die kleine Stimme in meinem Innern sagte mir aber, dass ich es schaffen würde und nicht aufgeben soll. Also habe ich Hilfe bei meinem Jobcoach gesucht. Zusammen mit ihm und meiner Berufsbildnerin konnten wir eine Lösung finden, mit der ich mein drittes Lehrjahr fertig machen konnte, ohne komplett auszubrennen.

Ein Notfall an der praktischen Prüfung

Die praktische Prüfung fand an meinem Arbeitsort im Altersheim statt. Ich musste an vier verschiedenen, echten Patienten arbeiten. Vor der Prüfung habe ich mich deshalb intensiv über die Bewohner und Bewohnerinnen und ihre Geschichten informiert. Trotz der guten Vorbereitung lief an der praktischen Prüfung nicht alles nach Plan: Einer meiner Patienten hatte plötzlich ein Problem mit dem Blutdruck. Ich musste schnell reagieren, doch mein Blutdruckgerät war defekt. So rannte ich los, um ein Neues zu organisieren und geriet unter Zeitdruck. Dem Patienten geht es aber gut.

Auch im Bus kann man lernen

Für die schriftliche Prüfung habe ich mir Hilfsmittel organisiert. Ich habe zum Beispiel verschiedene Krankheiten und Medikamenten auf Post-Its notiert und an die Wand über meinem Schreibtisch aufgehängt. Wo immer ich konnte, habe ich gelernt: im Bus, im Zug, in der Supermarktschlange. Ich weiss jetzt so viel über die Medizin, dass ich mir vorkomme wie eine halbe Ärztin.

Zur Feier besuchten wir den Europark

Als ich mein Prüfungsresultat erfahren habe, spürte ich eine grosse Erleichterung und musste sogar ein bisschen weinen. Ich habe sofort allen geschrieben, dass ich es geschafft habe. Weil wir in den Ferienvorbereitungen waren, konnte ich leider keine Party feiern. Aber meine Freunde, Arbeitskollegen und meine ganze Familie haben sich mit mir gefreut. Besonders meine Kinder. Denn jetzt habe ich wieder mehr Zeit für die beiden. Ich habe ihnen versprochen, dass ich mit ihnen in den Europapark gehe, wenn ich die Prüfung bestehe. Und das machten wir auch.

Das Lernen geht weiter

Weil es in meinem Ausbildungsbetrieb bereits genügend Fachpersonen Gesundheit gibt, konnte ich meine Stelle nicht behalten. Die Stellensuche dauerte aber nicht lange und ich konnte bereits im September in einem Altersheim in Gümligen meinen neuen Job anfangen. Ich habe meine Ausbildung auf Französisch gemacht. Jetzt muss ich alles, auch noch auf Deutsch lernen. Aber ich mag diese Herausforderung. Vielleicht werde ich einen Fachpflege-Deutschkurs besuchen. Das Lernen geht also weiter. Rückblickend würde ich sagen, dass es viel Mut, Disziplin und Geduld braucht, in meinem Alter noch eine Erstausbildung nachzuholen. Es lohnt sich aber extrem.