Weshalb es sich lohnt, die Erstausbildung nachzuholen

Susanne Bachmann, sie begleiten das Projekt bereits seit der ersten Durchführung 2016. Weshalb lohnt es sich, im Erwachsenenalter die Erstausbildung nachzuholen?

Projektteilnehmende, die ihre Erstausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, sind sich einig: Mit einem beruflichen Grundbildung haben sie einen höheren Stellenwert auf dem Arbeitsmarkt. Sie profitieren von besseren Anstellungsbedingungen und im Gegensatz zu früher finden sie oft einfacher eine Stelle. Ich persönlich sehe einen weiteren Vorteil darin, dass eine Grundbildung Zugang zu vielen anderen Weiterbildungen schafft und so auch den beruflichen Horizont erweitert.

Welche Unterstützung erhalten die Erwachsenen im Projekt «2. Chance auf eine 1. Ausbildung»?

Grundsätzlich gilt: Das Projekt garantiert die Finanzierung während der Ausbildung im Rahmen der SKOS-Richtlinien. Die Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten der Projektteilnehmenden sind je nach Situation durch den Sozialdienst, Stipendien, RAV-Ausbildungszuschüsse oder unsere Stiftung gedeckt. Dazu profitieren die Teilnehmenden von weiteren Unterstützungsangeboten. Vor dem Ausbildungsstart können sie einen Vorkurs besuchen, um schulisch fit zu werden. Ausserdem hilft ihnen ein Coach bei der Ausbildungswahl und unterstützt sie bei der Lehrstellensuche. Während den Ausbildungen können sich die Teilnehmenden zudem in Gruppencoachings austauschen. Und nach dem Abschluss unterstützen sie die Coaches tatkräftig weiter, um Anschlusslösungen zu finden.

Was ist das Schwierigste, wenn man im Erwachsenenalter eine Erstausbildung nachholt?

Das ist von Person zu Person unterschiedlich. Mir fällt aber auf: Wer bereits eine Familie hat, ist zeitlich mehr gefordert als jemand ohne Kinder. Die Projektteilnehmenden investieren einen grossen Teil ihrer Zeit in die Ausbildung. Das Zeitmanagement ist deshalb oft die grösste Herausforderung. Bei Personen mit Migrationshintergrund kommen manchmal sprachliche Hürden dazu. Zum Ausbildungsstart ist es deshalb wichtig, dass alle Personen auf dem Sprachniveau B2 sind. Bis dahin haben die Kandidatinnen und Kandidaten Zeit, sich die entsprechenden Sprachkenntnisse anzueignen.  

Was soll man als erstes tun, wenn man sich für das Projekt interessiert?

Auf unserer Website gibt es eine Checkliste, mit der man in weniger als einer Minute herausfindet, ob man für das Projekt geeignet ist. Wer alle Kriterien mit «ja» beantworten kann, soll sich unbedingt anmelden. Dazu braucht man einen aktuellen Lebenslauf und muss angeben, weshalb man den Abschluss nachholen will. Auf die Anmeldung folgt ein Termin bei der Berufsberatung BIZ und danach die eigentliche Bewerbung.

Welche Menschen haben besonders gute Chancen, eine Erstausbildung im Erwachsenenalter nachzuholen?
Grundsätzlich alle Erwachsenen, die motiviert sind und ihr Leben während einer mehrjährigen Lehre zu Gunsten der Ausbildung umstellen können. Seit Beginn lassen wir das Projekt und seine Wirkung durch das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) beurteilen. In ihren Auswertungen hat das Büro Bass u.a. festgehalten, dass älteren Personen und solchen, die vorher bereits erwerbstätig waren, vergleichsweise häufiger ihre Erstausbildung abschliessen. Über die Gründe lässt sich natürlich spekulieren. Ich denke, dass die Lebens- und Berufserfahrung diesen Personen sicher einen Vorteil verschafft. 

Lernen Sie alle Teilnehmenden persönlich kennen?

Ja, früher oder später werden wir uns kennenlernen. Sei dies per Mail, am Telefon oder persönlich an einem der Anlässe des Projekts. Und ich freue mich schon jetzt auf jede Anmeldung, Bewerbung und jedes Zusammentreffen.